Friedrichshafen erinnert sich

Zahlreiche Einrichtungen in Friedrichshafen organisieren in den kommenden zwei Jahren Veranstaltungen, Projekte, Ausstellungen und Aktionen zum Thema Nationalsozialismus. Alle Informationen zu den Veranstaltungen sind online unter www.friedrichshafen.de/erinnert-sich zu finden.
Historische Aufnahme mit einer Gruppe von Soldaten vor einer Häuserzeile

Die Zeit des Nationalsozialismus setzte nicht erst mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 ein. Sie begann mit der Radikalisierung des politischen Klimas und der schrittweisen Aushöhlung der Weimarer Demokratie durch die Nationalsozialisten und andere radikale Strömungen. Mit Hitlers Ernennung erhielt die nationalsozialistische Bewegung jedoch die politische Legitimation, um in kürzester Zeit demokratische Strukturen abzuschaffen und an deren Stelle eine totalitäre Diktatur zu errichten.

Die NS-Rassenideologie und ihr aggressiver Expansionismus begründeten den Zweiten Weltkrieg und die nationalsozialistischen Massenverbrechen und Völkermorde. Diese Schreckenszeit endete am 8. Mai 1945 mit dem Inkrafttreten der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht vor den Alliierten und ihren Verbündeten. 

Heute erstarken nationalistische und rassistische Bewegungen in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt. Es ist wichtiger denn je, an die grausame Zeit des Nationalsozialismus und dessen unvorstellbaren Gräueltaten mahnend zu erinnern: Nie wieder ist jetzt. In diesem Sinne führen zahlreiche Häfler Einrichtungen in den kommenden zwei Jahren Veranstaltungen, Projekte, Ausstellungen und Aktionen zum Thema Nationalsozialismus durch. Mit dabei sind das Graf-Zeppelin-Haus, das Kulturbüro, das Medienhaus am See, das Schulmuseum, das Stadtarchiv, die Volkshochschule und das Zeppelin Museum. Einige Projekte werden im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ gefördert. 

vhs-FN 

Am Sonntag, 14. September 2025 findet zum Tag des offenen Denkmals die Einweihung des Erinnerungspfades in Kluftern / Raderach statt. Dieser Rundweg „Gegen das Vergessen“ führt um das ehemalige Gelände der Testanlage für Raketentriebwerke bei Raderach und beschreibt die Schicksale der 417 namentlich bekannten, am Bau beteiligten Zwangs- und Fremdarbeiter. Um 13.30 Uhr startet die feierliche Eröffnung mit Oberbürgermeister Simon Blümcke und musikalischem Beitrag von Alain und Philippe Wozniak. Führungen von circa einer Stunde, bei denen festes Schuhwerk notwendig ist, werden um 11 Uhr, um 15 Uhr und um 16.30 Uhr angeboten.

Die vhs-FN lädt in Kooperation mit dem Medienhaus am See am Donnerstag, 2. Oktober 2025 von 19 Uhr bis 20.30 Uhr im Kiesel im k42 zur Veranstaltung „Ich bin noch nie einem Juden begegnet...“ ein. Hier erzählt Schauspieler und Bestsellerautor Gerhard Haase-Hindenberg zum Jubiläum „1700 Jahre Judentum in Deutschland“ von der Vielfalt jüdischen Lebens: von Dagmar, die trotz jüdischem Vater Polizistin wird, von Marina aus der UdSSR, vom Jazzmusiker David aus New York und anderen. Ihre Geschichten verwebt der Autor mit Einblicken in jüdische Geschichte, Symbole, Glaubenspraxis – und aktuellen Bedrohungen. Eine Anmeldung über die vhs-FN wird empfohlen. Übrigens: Diese und alle weiteren genannten Veranstaltungen mit Beteiligung der vhs-FN sind kostenfrei. 

Gunter Demnig hält am Samstag, 11. Oktober 2025 von 18 Uhr bis 19.30 Uhr im Vortragssaal 1 der vhs-FN einen Vortrag zum Thema „Stolpersteine – Erinnern im öffentlichen Raum“. Die kleinen, gold-glänzenden Gedenktafeln im Boden – sogenannte Stolpersteine – sind nicht nur Erinnerungszeichen, sondern auch bedeutende Mahnmale, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Ziel ist es, diese Erinnerungskultur in Friedrichshafen zu fördern und durch die Platzierung von Stolpersteinen würdige Orte der Erinnerung zu schaffen. Gunter Demnig hatte die Idee der Stolpersteine einst 1992/1993, inzwischen hat er mit seinem Projekt über 116.000 Stolpersteine in 31 europäischen Ländern verlegt. Der Eintritt zum Vortrag ist frei.

Bernd Caesar geht in seinem Vortrag „Erinnerung bewahren – V2-Werk – Gegen das Vergessen“ am Freitag, 24. Oktober 2025, 18.30 Uhr im Vortragssaal 1 der vhs-FN auf ein weitgehend unbekanntes, aber bedeutendes Kapitel der regionalen NS-Geschichte ein: den Bau eines geheimen Testgeländes für Raketentriebwerke bei Raderach, das Teil des nationalsozialistischen V2-Waffenprogrammes war. In der Bauzeit von 1942 bis 1943 wurden hier mehrere hundert Zwangsarbeiter eingesetzt. Bernd Caesar beleuchtet die Lebensgeschichten der direkt oder indirekt vom Bau und Betrieb betroffenen Menschen. Die Teilnehmenden des Arbeitskreises „Stolpersteine für Friedrichshafen“, die an diesem Termin eines ihrer Treffen haben, sind zum Vortrag eingeladen.

In dem Vortrag „Erinnerung bewahren – Das Internierungslager Liebenau im Nationalsozialismus“ am Dienstag, 11. November 2025, 18.30 Uhr im Vortragssaal 1 der vhs-FN rückt auch Martin Kohler ein weitgehend unbekanntes Kapitel der NS-Zeit in den Fokus: das Schicksal jüdischer Frauen im Internierungslager Liebenau bei Ravensburg. Er erzählt von bewegenden Geschichten von Hoffnung, Überlebenswillen und stillem Widerstand. 

Der Arbeitskreis „Stolpersteine für Friedrichshafen“ trifft sich am Freitag, 14. November 2025 von 18 Uhr bis 19.30 Uhr im Tagungsraum 1 der vhs-FN. Er beschäftigt sich mit Empfehlungen zur Verlegung von Stolpersteinen in Friedrichshafen. Dabei bietet er eine breite Plattform der Mitarbeit für engagierte Menschen aus Bereichen wie Geschichtswissenschaft, Städteplanung, Kunst und Kultur sowie für Angehörige von Opfern an. Durch interdisziplinären Austausch sollen Richtlinien entwickelt werden, die eine respektvolle und angemessene Verlegung der Stolpersteine gewährleisten.

Am Donnerstag, 29. Januar 2026, 19 Uhr geht es bei Olivier Mannoni in einem Vortrag und Gespräch um „Hitler übersetzen“. Die Veranstaltung findet in Kooperation von Schulmuseum, Medienhaus am See und vhs-FN im Kiesel des k42 statt. 

Schulmuseum Friedrichshafen

Das Schulmuseum eröffnet am Mittwoch 26. November 2025 ab 19 Uhr die überarbeitete Dauerausstellung „Schule und Kindheit unter dem Hakenkreuz“. Die Ausstellung zeigt die Inhalte und Mechanismen des totalitären Staates des Nationalsozialismus auf – mit dem Fokus auf den Lebenswelten der heranwachsenden Generation: Wer gehört dazu? Wer wird ausgegrenzt und verfolgt? Wo gibt es jugendlichen Widerstand? Welche Rolle spielt die Familie in diesem menschenverachtenden System? Und sind alle Kinder Opfer? 

Ein Begleitprogramm mit Führungen, Lesungen und Vorträgen schließt sich über das Winterhalbjahr 2025/2026 an. Außerdem hat das Schulmuseum sein entsprechendes Angebot für Schulklassen überarbeitet.

Kulturbüro Friedrichshafen

Das Kulturbüro lädt in Kooperation mit dem Schulmuseum und dem Medienhaus am See am Donnerstag, 27. November 2025 ab 19.30 Uhr im Kiesel im k42 zur szenischen Lesung von Hamed Eshrat und Jochen Voi aus „Nieder mit Hitler! Oder warum Karl kein Radfahrer sein wollte“ ein. Die Graphic Novel erzählt von einer Erfurter Widerstandsgruppe aus Handelsschülern, die 1943 Flugblätter gegen Hitler verteilten. „Ein Comic, der eindrucksvoll zeigt, was Mut auch im Kleinen gegen Unrecht bedeutet“, so Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der Eintritt frei, eine Ticket-Reservierung wird empfohlen.

Am Dienstag, 3. Februar 2026 findet ab 19.30 Uhr im Kiesel im k42 die Lesung von Mechtild Borrmann aus „Lebensbande“ statt. Basierend auf wahren Begebenheiten erzählt die Bestseller-Autorin in ihrem großen zeitgeschichtlichen Roman die Lebensgeschichten dreier Frauen, deren Schicksale sich zwischen dem 2. Weltkrieg und dem Fall der Berliner Mauer kreuzen. Der Eintritt kostet 14 Euro inklusive eines Getränkes.

Zeppelin Museum

Das Zeppelin Museum eröffnet am Donnerstag, 21. Mai 2026, die Ausstellung „Gefühlte Wahrheiten. Zeppeline unter dem Hakenkreuz“. Die Ausstellung, die bis zum 4. April 2027 zu sehen sein wird, arbeitet zum ersten Mal umfassend und explizit die Geschichte der Zeppelin-Luftschiffe während der Zeit des Nationalsozialismus auf. Die Schwerpunkte liegen unter anderem auf der politischen Inszenierung der Technik, der Rolle der regionalen Rüstungsindustrien und ihren Verbindungen in das Regime sowie den beteiligten Menschen und ihren Netzwerken. Verbreitete Vorstellungen und Mythen, Vorurteile und Geschichtsverdrehungen über den Zeppelin im Nationalsozialismus sollen kritisch hinterfragt und korrigiert werden. Die Ausstellung wird durch aktuelle erinnerungskulturelle Fragestellungen und Methoden an gegenwärtige Diskurse angeschlossen und sensibilisiert über populistische, rassistische und antisemitische Rhetoriken. 

Alle Termine sind online zu finden unter www.friedrichshafen.de/erinnert-sich.