Dienstag, 21. Mai 2019

Widerstand in Friedrichshafen im Zweiten Weltkrieg?

Frühen Widerstand gegen die NS-Herrschaft gab es in Friedrichshafen nur spärlich, und wenn, dann nur ganz vereinzelt. So vermochte noch Bürgermeister Hans Schnitzler im März 1933 gegen das Hissen der Hakenkreuzfahne bzw. mit seinem Umzug vom Rathaus in das Gebäude der Stadtwerke kurzfristig zu protestieren. Die Machtübernahme der NSDAP in Friedrichshafen konnte damit allerdings nicht aufgehalten werden.
Zerbombte Innenstadt mit Nikolauskirche im Vordergrund
Zerbombte Innenstadt mit Nikolauskirche im Vordergrund (Foto: Stadtarchiv Friedrichshafen)

Zwei Kommunisten, dem aus St. Georgen (seit 1938 Stadtteil von Friedrichshafen) gebürtigen Josef Steidle und dem Dornier-Arbeiter Artur Göritz, wurde ihr entschiedener Widerstand zum Verhängnis. Beide unterstanden dem von Stuttgart aus im Untergrund gegen die Nazis arbeitenden KPD-Bezirksleiter Stefan Lovász und dessen Mitarbeitern Liselotte Herrmann und Alfred Grözinger. Göritz hatte bei den Dornier-Metallbauten im Tragflächen- und Typenbau für Flugzeuge mitgearbeitet und 1934 Blaupausen der Rüstungsproduktion über Steidle an Lovász weitergegeben. Die Verhaftung der vier Kommunisten – sie wurden durch den NS-Agenten in der verbotenen KPD, Eugen Wicker, verraten – wurde nur vordergründig wegen Landesverrats bzw. Vorbereitung des Hochverrats betrieben. Vielmehr sollte der staatlich sanktionierte Mord an vier jungen Menschen zur Abschreckung für alle Regime-Gegner dienen: Lovász, Herrmann, Göritz und Steidle wurden am 20. Juni 1938 im berüchtigten Zuchthaus Berlin-Plötzensee hingerichtet, Grözinger wurde zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt und kam ins KZ nach Mauthausen.

Fridolin Endraß aus Eriskirch konnte durch diese – auch im Ausland als besorgniserregend wahrgenommenen – Hinrichtungen offenbar nicht abgeschreckt werden. Der gewerkschaftlich organisierte Eisenbahner wurde zusammen mit dem Kollegen Jakob Müller sowie den im Schweizer Exil lebenden Stuttgarter Karl Molt und dem Schweizer Staatsbürger Josef Riedlin im Juli 1938 verhaftet. Endraß wurde am 23. Februar 1940 in Berlin-Plötzensee mit dem Fallbeil hingerichtet.

Seine Biografie verlief zunächst wie die vieler anderer: Nach der Schlosserlehre besuchte er die Gewerbeschule, war Wandergeselle und wurde 1914 zum Kriegsdienst einberufen. Nach dem Krieg war er beim Friedrichshafener Reichsbahn-Ausbesserungswerk als Vorarbeiter tätig; als überzeugter Sozialdemokrat und Gewerkschafter wurde er politisch aktiv. Er half den in die Schweiz geflüchteten Gewerkschaftern wie Karl Molt bei der illegalen Ausfuhr von Anti-Nazi-Druckschriften nach Nazi-Deutschland. So wurden z. B. Zeitungen in Fahrradschläuchen über die Grenze geschmuggelt. Schon früh erkannte Endraß die Kriegspläne der Nationalsozialisten und die militärische Aufrüstung. Die Erkenntnisse über die Kriegsvorbereitung der NSDAP, die er vor Gericht unverblümt aussagte, brachten ihm als „Landesverräter“ das Todesurteil ein. Fridolin Endraß hinterließ, wie schon vor ihm die ermordeten Kommunisten, eine junge Familie – eine Frau und ein Kind.

Als der Zweite Weltkrieg dann trotz vieler Warnungen von Regime-Gegnern „ausbrach“, nahm auch in Friedrichshafen der ohnehin schon spärliche Widerstand eher deutlich ab, als dass er zunahm. Anfänglich gab es zwar keine deutliche Mehrheit für die deutschen Faschisten, aber doch eine stille Duldung, die auch nach der Zunahme militärischer Niederlagen ab Oktober 1942 kaum Risse bekam. So standen auch die beiden Konfessionskirchen anfangs in großen Teilen der Machtübergabe an die Nationalsozialisten positiv gegenüber, erhofften sie sich doch dadurch eine Niederschlagung des Bolschewismus. Die positive Stimmung wich jedoch im Laufe der Zeit durch Erfahrungen mit NS-Schlägertrupps oder mit der Abschaffung der Konfessionsschule; Letzteres bildete ein gewisses Moment der Erregung in Friedrichshafen.

Einen gar offenen Widerstand brachten allerdings nur einzelne Geistliche auf, wie etwa die katholischen Pfarrer Dr. Karl Rueß und Valentin Mohr, bzw. Immanuel Spellenberg auf evangelischer Seite in Manzell. Letzterer wurde einfach an die Front versetzt, wo er als Soldat „fiel“. Valentin Mohrs Pamphlet gegen die Nazi-Diktatur „Ich glaube euren Parteireden nicht mehr“ brachte diesem 1942 vorübergehend KZ-Haft ein. NS-Kreisleiter Hans Seibold triumphierte zunächst noch ob der mutigen Verwegenheit Mohrs: „Mohr, der durch seinen Fanatismus der Nationalsozialistischen Bewegung schon sehr viele Schwierigkeiten bereitet hat, hat sich damit selbst erledigt. Ehrlich währt am längsten.“ Vor allem der Kirchenstreit mit dem zweiten Pfarrer Dr. Karl Steger, der deutsch-christliche Trauungen und Taufen durchführte und bei der Euthanasie mithalf, wühlte die evangelische Kirche erst nach dem Krieg bis zur Landesebene auf. Im Mai 1945 empfingen die Friedrichshafener Geistlichen die Franzosen als „Befreier, als die Erlöser vom Joche Hitlers“. (Text: Jürgen Oellers, Leiter Stadtarchiv)

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