Donnerstag, 06. August 2020
Kategorie: Medieninformationen

Ehrenfelder: Jetzt haben die Opfer Namen

Mit Infotafeln gedenkt die Stadt auf dem Hauptfriedhof auf den Ehrenfeldern 19 und 32 der Toten.
Zwei Männer und eine Frau stehen an einer Glastafel.
von links: Oberbürgermeister Andreas Brand, Dr. Hartmut Semmler (Stadtarchiv) und Dr. Christa Tholander.

Auf dem Hauptfriedhof in Friedrichshafen wurden im Laufe dieses Frühjahrs alle Infotafeln auf den Ehrenfeldern 19 und 32 aufgestellt. Die Tafeln sind aus Sicherheitsglas mit Hinterglasfolie gefertigt und auf feuerverzinkten Metallständern montiert. Die Schilder machen es nun möglich, sich mit den Hintergründen, aber auch mit den Einzelschicksalen der dort bestatteten Menschen auseinanderzusetzen. Das Wichtigste: Nun sind die Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion, die auf dem Ehrenfeld 32 bestattet wurden, mit Namen genannt.

Im März 2019 stimmte der Gemeinderat den Planungen für die neue Gestaltung der Ehrenfelder 19 und 32 auf dem Hauptfriedhof zu. Seither gab es mehrere Treffen, unter anderem mit dem Vizekonsul der Botschaft der Russischen Föderation.
Im Ehrenfeld 32 sind 453 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie Kriegsgefangene aus der ehemaligen Sowjetunion bestattet worden, die während des Zweiten Weltkriegs in Friedrichshafen und an rund 60 anderen Orten im süddeutschen Raum ums Leben gekommen sind. Jahrzehntelang waren die Gräber nur mit Nummern versehen. Nun wurden am Ehrenfeld 32 seitlich an jeder Grabreihe Tafeln mit den Namen sowie den Geburts- und Sterbedaten der Bestatteten aufgestellt.
„Mit der neuen Gestaltung des Ehrenfeldes konnten wir den Toten nicht nur einen Ort sondern auch einen Namen geben“, so Oberbürgermeister Andreas Brand beim Besuch auf dem Hauptfriedhof.

Die Namensangaben auf den Tafeln sind in kyrillischen und lateinischen Buchstaben geschrieben. Zwei Info-Tafeln informieren zudem über die Hintergründe der Entstehung der Anlage, stellen die Einsatzorte dar und erzählen über die persönlichen Schicksale von Menschen, die dort begraben sind. Auch das bisherige Totenbuch soll aufgrund neuer Recherchen überarbeitet werden. Hier arbeitete besonders Dr. Christa Tholander ehrenamtlich mit dem Stadtarchiv zusammen, um die Geschichte des Ehrenfeldes aufzuarbeiten. Durch die neuen Tafeln ist es den Besuchern möglich, auch ohne den Blick in das Totenbuch zu erfahren, wer dort begraben liegt.

Die Neugestaltung des Ehrenfeldes Nr. 32 war für Dr. Christa Tholander eine Herzensangelegenheit. Beim Besuch des Ehrenfeldes erzählte sie von ihrem Treffen vom Dezember 1995 mit dem damals 70-jährigen Wasily Djatschuk am russischen Ehrenmal auf dem Hauptfriedhof, der das Grab seines Freundes Feodor Schufrun besuchte, der im Grab Nummer 1043 begraben war. Damals entstand der Wunsch, den Toten nicht nur Nummern, sondern ihre Namen wieder zu geben.
 „Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, den Toten auf dem Ehrenfeld eine letzte Ruhestätte zu geben, auf der jetzt mit ihrem Namen gedacht wird“, sagt Dr. Christa Tholander.

Oberbürgermeister Andreas Brand dankte Dr. Christa Tholander, Dr. Hartmut Semmler vom Stadtarchiv und Allen, die sich für die Gestaltung der Ehrenfelder engagierten, herzlich für ihren Einsatz. „75 Jahre nach Kriegsende weisen Tafeln darauf hin, wie viele Menschen hier begraben sind, wer die Toten sind und unter welchen Umständen sie ums Leben kamen. Die Ehrenfelder sind ein würdiger Platz auf unserem Friedhof, an dem man der Toten gedenken kann“, so Brand.

Im Ehrenfeld 19 erhalten die Besucherinnen und Besucher auf zwei Infotafeln historische Informationen zum Luftkrieg, zur Entstehung der Anlage und zu den Einzelschicksalen von Betroffenen. Neben 208 einheimischen Opfern des Luftkriegs, wurden hier ab 1943 auch Personen aus anderen europäischen Ländern wie Italien, den Niederlanden oder Polen beerdigt, die in Friedrichshafen ums Leben kamen. Begraben wurden dort beispielsweise die Norwegerinnen Aster Martinsen und Solveig Karlsen, der ermordete Ukrainer Nicolai Beslic und die bei einem Luftangriff getöteten italienischen Militärinternierten. Auch hier hat sich Dr. Christa Tholander um die Erforschung der Einzelschicksale verdient gemacht. In den 1950er Jahren kam es dann zu zahlreichen Umbettungen ausländischer begrabener Menschen an andere Standorte.